Posts

Es werden Posts vom Juli, 2023 angezeigt.

Amtsrichter Johnsons Höhepunkte

Bild
  Amtsrichter Johnsons Höhepunkte.  von Georg Busse-Palma Ursprünglich 1902 in Leipzig veröffentlicht bei Hermann Seemann Nachfolger Jeder Mensch hat in seinem Leben einige Höhepunkte, die ihm bis sein seliges oder unseliges Ende unvergesslich bleiben. Auch Ernst Alexander Johnson hatte die seinigen. Den ersten hatte er damals erreicht, als er, der eben Amtsrichter in dem kleinen polnischen Städtchen geworden war, seine alte Studentenliebe heimführte. Am ersten Abend, als sie beisammen sassen, schmiegten sie sich fest aneinander und blickten wortlos in ihre neue Heimat.   Ernst Alexander, in dem ein gefesselter Dichter lag, seufzte tief auf. Auf den Goldgrund des gegenwärtigen Glückes malten seine Träume Blüten und Kränze einer späteren Zukunft, und das Grün der Hoffnung war überall. Die Augen wurden ihm feucht. Er griff nach der Hand seiner Frau und küsste sie, so dass sie seine Thränen spürte. Auch ihre Blicke waren verschwommen. Vielleicht hatte sie seine T...

Der alte Steffen

Bild
  Der alte Steffen.  von Georg Busse-Palma   Ursprünglich 1902 in Leipzig veröffentlicht bei Hermann Seemann Nachfolger Im Osten der Universitätsstadt erhebt sich das Armenhaus. Es ist aus massiven, grauen Steinen gebaut und hat zwei Stockwerke. In dem oberen befinden sich aber nur die Krankensäle, so dass die noch rüstigen Insassen von der schönen, kleinen Stadt fast nichts zu sehen bekommen. Denn aus ihren niedrig gelegenen Fenstern können sie die Mauern, die das Haus umschliessen, nicht überblicken, und Urlaub bekommen sie sehr selten. Im Winter ist das zu ertragen. Wenn der Regen gegen die Scheiben schlägt oder die Flocken immer dichter und dichter herniederwirbeln, frieren die alten Leute und sehnen sich nicht nach draussen. Nur der alte Steffen vielleicht. Aber auch der denkt dann nicht an die deutschen Thäler und Gebirgsketten, die dann doch rauh und ungastlich sind. Er träumt von der heissen, brennenden Tropensonne, trotzdem gerade sie ihn so krank und elend ...

Ein Kind der See

Bild
  Ein Kind der See.  von  Georg Busse-Palma Ursprünglich 1902 in Leipzig veröffentlicht bei Hermann Seemann Nachfolger Er war ein Antwerpener. Sein Vater, dessen Glieder die Gicht gekrümmt hatte, verzehrte sich vor Sehnsucht nach dem offenen Meer, das er Jahrzehnte lang befahren hatte. Als kleiner Hafenbeamter wohnte er dicht am Wasser, und über die Wiege seines Kindes flogen die herben, salzigen Seewinde. In die Schlummerliedchen, die ihm die Mutter sang, schrillten die Dampfpfeifen, und wenn er des Nachts sein heisses Köpfchen aus den Kissen hob und durch das Fenster sah, glotzten ihn aus der Ferne böse, rotglühende Augen an. Er fürchtete sich aber nicht lange vor ihnen, denn ehe er noch sprechen konnte, wusste er schon, dass sie kein Spuk, sondern nur die Laternen mächtiger, dunkler Schiffskolosse waren, die sich schwerfällig durch den Kanal dem geräumigen Hafen zu bewegten. Kaum, dass er die Kinderschuhe ausgetreten hatte, ging auch er zur See. Als Leichtmatr...

Abendfalter

Bild
  Abendfalter. von  Georg Busse-Palma Ursprünglich 1902 in Leipzig veröffentlicht bei Hermann Seemann Nachfolger   An jedem Samstag Nachmittag hatte Brigitte Winterfeld nichts Besseres zu thun, als mit den Kindern des Pfarrers auf der grossen Wiese herumzutollen. Es waren dies zwei Mädchen von elf und dreizehn Jahren, bei denen es lange währte, ehe sie ermüdet, aber jauchzend vor Vergnügen, sich in die Butterblumen warfen, die ebenso goldgelb waren wie der Sommersonnenschein über ihnen. Brigitte liess aber, ihrer eigenen Trägheit zum Trotz, nicht eher nach, und wenn sie es erreicht hatte, dann war auch die ruhende Gruppe, die braunen Kinder zu Seiten ihrer grossen, schönen Spielgefährtin, ein Bild, das allen Augen gefiel. Der pensionierte Oberförster Winterfeld besass, einen Büchsenschuss vom Dorfe entfernt, ein Landhaus, weilte aber jeden Sonnabend bis Mitternacht in der Stadt, wo ihn gute Freunde und ein guter Trunk nicht eher losliessen. So war es schon seit Jahren...